GESCHICHTSWERKSTATT BAYREUTH  e.V. 

Dominik Reuther (16), Schüler an der Städtischen Wirtschaftsschule hat sich mit dem Schicksal eines  Bayreuther Viehhändlers auseinandergesetzt.
 
Rafael Sündermann

Rafael wurde am 14.05.1874 in Gerolzhofen geboren und heiratete dort seine Frau Pauline Fleischmann, wo sie zwei Kinder bekamen: Siegfried und Selma. Rafael zog bis 1918 als Deutscher für sein Vaterland in den Krieg. Er erhielt dafür später (1934) auch eine Auszeichnung von Reichspräsident Hindenburg. Später haben die Nazis dann behauptet, Juden wären keine Deutschen. 1915 zog die Familie nach Bayreuth, Hirschenstr. 19 (heutige Carl-Schüller-Str.), wo Rafael ab Dezember 1918 einen Viehhandel betrieb.

Carl-Schüller-Str. 19 in Bayreuth: Hier wohnte Familie Sündermann

In den wirtschaftlich schlechten 20er Jahren musste Rafael aus wirtschaftlicher Not seine Kinder von der Schule nehmen und sie zur Lehre schicken.

Diese wirtschaftliche Rezession Deutschlands hat Hitler ausgenützt, um an die Macht zu kommen. Für ihn waren es die Juden, die an allen Problemen Schuld waren. Die Nationalsozialisten machten ihnen das Leben in der Gesellschaft auch durch speziell erlassene Gesetze schwer. Natürlich war Rafael mit seinem Viehhandel von dieser Verfolgung nicht verschont geblieben. Das nahm die Bevölkerung auch gut an, da viele Menschen Schulden bei einem Juden hatten. Aus einer Bewerbung seiner Tochter Selma auf eine Stelle als Fräulein für Haushalt und Kinder in Nürnberg 1925, wissen wir, dass er seine Kinder streng nach jüdischem Glauben erzogen hat. 1930 war die finanzielle Lage der Familie immer noch so duster, dass Rafael Sündermann gezwungen war, einen Darlehensscheck vom Rabbiner über 250 Mk anzunehmen.
Die Kinder sind beide nach Südamerika ausgewandert. Der Sohn Siegfried lebte in Uruguay und nannte sich Sigrido. Wo Selma lebte, ist nicht bekannt.

Rafael meldete sein Gewerbe gut ein halbes Jahr vor der „Reichskristallnacht“ im November 1938 ab und war ab diesem Zeitpunkt Rentner. 1939 wurden die Sündermanns gezwungen von ihrer Wohnung in der Carl-Schüller-Strasse ins Haus von Ehepaar Oppenheimer in der Wolfsgasse 5 zu ziehen.

Bei der zweiten Bayreuther Deportation am 16. Januar 1942 wurden elf Juden, alles ältere Menschen, nach Bamberg in das Heim „Weiße Taube“ zwangsweise umgesiedelt. Ehepaar Sündermann war unter ihnen. Vorher aber mussten sie selbst ihr Hab und Gut auflisten. Dann kam ein Schätzer in Begleitung eines Mannes vom Stadtbauamt und schätzte die Gegenstände – natürlich viel zu niedrig. Weil Sündermanns ihre Möbel nicht mit nach Bamberg mitnehmen durften, waren sie gezwungen, sie an die Stadt Bayreuth zu verkaufen. Diese hat alle Wäsche, Geschirr, Porzellanwaren usw. in den städtischen Einrichtungen, wie Schulen, Polizei, Krankenhaus, Ämter usw. verteilt und die Möbel später an die Bevölkerung versteigert.

Von Rafael selbst geschriebene Auflistung seines Hausrates
 

Der Hausrat von Sündermanns mit den Schätzwerten des Schätzers Anton Dorsch aus Akten der Stadt Bayreuth im Stadtarchiv

Von Bamberg gingen insgesamt sechs Transporte in den Osten. Die, die noch Vermögen hatten, mussten ihr gesamtes Geld für einen sogenannten Heimeinkaufsvertrag hergeben. Man erzählte nämlich den alten Menschen, sie könnten im Altersheim Theresienstadt ihren Lebensabend verbringen. In Wirklichkeit war Theresienstadt aber ein KZ, wo die meisten an Unterernährung, Kälte oder Krankheit starben. Bis der Heimeinkaufsvertrag abgewickelt und das gesamte Vermögen an die Reichsvereinigung der Juden überwiesen war (von wo es sich die Gestapo dann holte), blieben die Alten in Bamberg. Erst ab September 1942 wurden sie nach Theresienstadt deportiert.
Sündermanns hatten kein Vermögen. Sie wurden schon vorher, entweder mit dem Transport vom 24.03.42 oder dem vom 25.04.42 von Bamberg nach Izbica abtransportiert.
 

(Karte nach http://history1900s.about.com/library/holocaust/blmap.htm,
weitere Informationen zu Izbica unter:
http://www.doew.at/projekte/holocaust/shoah/izbica.html oder
http://motlc.wiesenthal.com/text/x10/xm1090.html)
„In Izbica, Kreis Krasnystaw/Distrikt Lublin, befand sich circa 15 km südlich der Kreisstadt ein Durchgangslager für jüdische Deportationstransporte aus dem Reichsgebiet einschließlich Österreich, aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden und der Slowakei nach dem Osten. In diesem Lager verbrachten die Deportierten auf ihrem Weg mit unbekanntem Ziel, überwiegend jedoch zu den Vernichtungslagern Belzec, Chelmno, Sobibor; Majdanek oder Treblinka meistens eine Nacht, selten längere Zeit“ (Gedenkbuch für die BRD und Berlin v. 1986).

Zum Schluss will ich noch erläutern, dass das letzte Lebenszeichen von Rafael aus Izbica stammt, er aber wahrscheinlich nicht dort, sondern in Sobibor, Majdanek oder in einem anderen Vernichtungslager ermordet wurde. Über seinen Tod ist leider nichts bekannt (Umstände, Todesursache, Sterbedatum). Er galt schließlich als verschollen und seine Kinder haben ihn später bei einem deutschen Amtsgericht für Tod erklären lassen.
 

Dominik Reuther¸ November 2001
 


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