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ESCHICHTSWERKSTATT BAYREUTH  e.V. 


ZUR PSYCHIATRIE-GESCHICHTE IN BAYREUTH

ZUSAMMENFASSUNG und AUSZÜGE aus der Publikation „Auf den Spuren der Psychiatrie in Bayreuth – Historische Materialien“
(zusammengestellt und versehen mit Ergebnissen eigener Forschung von Heike Götschel und Ekkehard Hübschmann, Bayreuth, 1994).

Die reich illustrierte Publikation wird hier vorgestellt. Sie ist in Überarbeitung. Wann die wesentlich erweiterte Neuauflage erscheinen wird, bitten wir nachzufragen. Siehe »Kontakt« links im Menue.

DAS NARRENHAUS

1538 ist ein Narrenhaus am Unteren Tor nachweisbar, das vermutlich vorwiegend zur Bewahrung von „Geistesgestörten“ diente, die nicht in der Familie gehalten wurden; ausserdem als Art öffentlicher Pranger, in dem kleinere Übeltäter zur Schau gestellt wurden.

Nach 1700 war dieses alte Narrenhäuslein baufällig. Ein neues „wurde bei dem ,Feuerleiterhäuslein gegen die Fleischbänke zu, neben dem Tappert‘ erbaut. Es sollte so mit geschienten Latten errichtet werden, daß man es zum allgemeinen Anschauen herumdrehen könnte.“ (Fischer, Häuserbuch der Stadt Bayreuth 1991:183)

DAS ZUCHT- UND ARBEITSHAUS
(heute Justizvollzugsanstalt, Markgrafenallee 49)

1724–35 wurde auf Initiative von Markgraf Georg Wilhelm in St.Georgen am See das Zucht- und Arbeitshaus gebaut, der ein solches Institut „für das Wohl und die innere Sicherheit seines Landes .. für dringend nothwendig erachtete“.

In den Gebäuden der Anstalt befanden sich Manufakturen, in denen die Sträflinge durch Arbeit diszipliniert wurden. Diese waren eine sogen. Marmorfabrik, in der 33 verschiedene Gesteinsarten aus dem gesamten Fürstentum verarbeitet wurden, eine Glasschleiferei und eine Porzellanfabrik. Daneben wurden männliche Häftlinge in nahegelegenen Steinbrüchen eingesetzt und die Frauen hatten Baumwolle zu spinnen. In den 1780er Jahren kam eine Spielkartenmanufaktur hinzu.

Wie die Vorbilder in Paris, Hamburg und Celle diente auch das Bayreuther Zucht- und Arbeitshaus der Bestrafung von Übeltätern und gleichzeitig der Bewachung der „Melancholicos und Wahnwitzigen“, d.h. der geistig Behinderten und seelisch Erkrankten. Diese waren allerdings dem Arbeitszwang nicht unterworfen.

DIE IRRENANSTALT ST.GEORGEN – PRINZESSINNENHAUS
(Markgrafenallee 44)

– ergänzter Auszug –

Nachdem Markgraf Carl Alexander auf das „nothwendige Staatsbedürfnis“ aufmerksam gemacht worden war, besser für die Geisteskranken zu sorgen als es bisher in den bestehenden Zucht- und Arbeitshäusern der Fall war, ordnete er 1783 die Errichtung einer gesonderten Anstalt zur Unterbringung von „Irren“ aus dem Fürstenthum an. 1784 stiftete er zu diesem Zweck das dem Gefängnis gegenüberliegende Gebäude, das sogen. Prinzessinnenhaus. Die Trennung von Zuchthaus und Irrenhaus wurde wohl erst 1788 vollzogen.

1789 begann man mit einem Erweiterungsbau entlang der heutigen Bernecker Strasse, der 1791 fertiggestellt wurde und nun als das eigentliche Irrhaus fungierte, während im Prinzessinnenhaus selbst die Aufseher wohnten.

Während 1795 die Leistungen des Bayreuther Arztes Dr. Heinrich Alexander Saher als Anstaltsleiters gerühmt worden waren, stellte ein Inspektor einige Jahre später unhaltbare Zustände fest.

Bereits 1792 waren die Fürstenthümer Bayreuth und Ansbach an das Königreich Preußen abgetreten worden. So beauftragte 1803 ein königlich-preussisches Ministerium den Arzt Dr. Johann Gottfried Langermann, die Zustände des Irrenhauses St.Georgen zu untersuchen und einen Plan zur Verbesserung auszuarbeiten. 1805 wurde er zum Direktor der Anstalt ernannt, die er zur ersten modernen psychiatrischen Heilanstalt Deutschlands umwandelte (Jetter 1981:119-122).

1806-07 wurde ein zweiter Erweiterungsbau errichtet, obwohl das ehemalige markgräfliche Territorium seit 1806 unter französischer Besatzungsverwaltung stand.

1810 wurde das Fürstenthum dem Königreich Bayern zugeschlagen und Langermann verliess Bayreuth. Danach muss die Anstalt schon sehr bald in den Zustand vor den Langermann'schen Reformen zurückgefallen zu sein. 1853 stellte der neue Leiter Dr. Friedrich Karl Stahl schockierende Verhältnisse fest:

„... stürzten die Kranken brüllend und schreiend und unter vergeblichem Abwehren der Wärter über die herangetragenen Schüsseln her. Wer glücklich eine Portion in Händen hatte, floh damit in irgend einen Winkel des Hauses. Es bildeten sich Gruppen, die die Fenster ... ja sogar unausprechliche Localitäten und Geräthschaften zu Speisetischen benutzten.“

Stahl erlöste die Kranken von ihrem Gefängnisdasein und verhalf der Menschlichkeit zum Durchbruch. Zu seinen Reformen gehörten: das Abschaffen des Haareabschneidens bei Frauen, eine Verbesserung der Kost und der Hygiene, Einführung von Beschäftigung, Theateraufführungen und Musikstücken. In den drei Jahren nach 1854 sind 22 Kranke genesen.

Stahls Nachfolger als Direktor der Irrenanstalt St.Georgen ab 1860/61 war Dr. Joseph Engelmann. Seine Hauptaufgabe war der Umzug in die neue Kreisirrenanstalt in Bayreuth-Wendelhöfen, deren Bau 1864 beschlossen worden war.

DAS BEZIRKSKRANKENHAUS BKH
ehem. Oberfränkische Heil- und Pflegeanstalt (HuPflA)
(Cottenbacher Straße, heute Nordring 2)

– gekürzter Auszug –

Ab 1822 verhandeln die bayerischen Landräthe und König Maximilian IV. Joseph um den Ausbau der Irrenfürsorge in Bayern.

1870 Eröffnung der Kreisirrenanstalt in Wendelhöfen mit einer Kapazität von 250 Betten und der Verlegung der 70 Patienten aus der Irrenanstalt St.Georgen. Schon bald begann ein ständiger Kampf gegen die Überfüllung der Stationen, den vor allem Dr. Engelmann führen muss.

1878–1901 Verschiedene Erweiterungsbauten.

1904 Höhepunkt der Überbelegung: 705 Kranke.

1906 Umbenennung in „Heil- und Pflegeanstalt Bayreuth“

1912 Kapazität: 567 Betten. Die Patienten werden mehr oder weniger nur verwahrt.

1933 wird das NS-Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses erlassen, das die Grundlage für Zwangssterilisationen war – in Bayreuth an 255 Psychiatriepatienten 1935-40.

1940 Die Anstalt wird auf Betreiben des Oberbürgermeisters Kempfler, unterstützt vom Bezirkstagspräsidenten Liebel, aufgelöst. Nach einer Besprechung in der Reichskanzlei in Berlin wird die Auflösung zum 1.Oktober angeordnet.

4.-5.Okt. 1940: von den insgesamt 651 Patienten werden 552 in die Anstalten Ansbach, Erlangen und Kutzenberg verlegt. 99 Patienten und 58 Angehörige des Personals werden zurückbehalten. Diese Patienten haben Hilfskraftdienste zu leisten.
Die Anstalt wird zum Kinderlandverschickungsheim der NS-Volkswohlfahrt (NSV).

Nov. 1940 bis Juni 1941: Im Rahmen des Euthanasie-Programmes (Aktion T4) werden allein von den nach Erlangen verlegten ehemaligen Bayreuther Patienten 93 in Tötungsanstalten ermordet.

1942 Das gesamte Gelände wird für 2 Mio. RM an die NSV verkauft (geschätzter Mindestwert: 3.5 Mio RM).

1945 Die Gebäude werden erheblich durch Bombenangriffe und Plünderungen beschädigt.

Ab 1947 Wiederaufbau der Heil- und Pflegeanstalt

1951 Der Bezirk muß die Anstalt für 200.000 DM vom Bayer. Staat zurückkaufen.

1963 Umbenennung in „Nervenkrankenhaus“

1997 Umbenennung in „Bezirkskrankenhaus“ (siehe auch 150 Jahre BKH)

DIE SANATORIEN MAINSCHLOSS UND HERZOGHÖHE
(Kulmbacher Str. 103-105)

– Auszug –

1861 Dr. med. Simon Würzburger gründet in der Dammallee das „Asyl für gemüthskranke Israeliten“.

In den 1870er Jahren Umzug ins Haus Erlangerstrasse 19

1894 eröffnet Simon Würzburger zusammen mit seinem Sohn Dr. Albert Würzburger die auf der Flur Herzoghöhe neuerbaute Privat-Heilanstalt „Herzoghöhe“. Im Laufe der Zeit finden auch nicht-jüdische Patienten Aufnahme.

1908 Eröffnung des „Kurhauses Mainschloß“ unter der Leitung von Dr. Albert Würzburger und dessen Schwiegersohn Dr. Bernhard Beyer. Erweiterung des Behandlungsangebotes auf körperliche und neurologische Erkrankungen. Erstmals werden hier psychisch Kranke gemeinsam mit körperlich Kranken und Erholungssuchenden in einer Klinik behandelt.

1936 wird die Klinik durch NS-Behörden in eine „deutsche Anstalt“ umgewandelt. Die Reichsärztekammer setzt den NS-Reichsärzteführer Dr. Kurt Bach als Geschäftsführer und ärztlichen Leiter ein. Dr. Bernhard Beyer bleibt weiterhin als Arzt tätig. Sein Schwager Dr. Otto Würzburger emigriert nach Mexiko.

1938 stirbt Dr. Albert Würzburger. Um den Familienbesitz zu wahren und die Sanatorien vor der Arisierung zu schützen, kauft Bernhard Beyers Schwiegersohn Konrad Pöhner die Klinik von der Erbengemeinschaft.

1956 verkauft Konrad Pöhner die Klinik an die Landesversicherungsanstalt (LVA).

 










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